Deine Magie ist stark, Shiori. Eines Tages wird sie gefährlich sein.
Elizabeth Lim
Informationen zum Buch
Titel: Die Sechs Kraniche | Autor: Elizabeth Lim | Genre: Jugendbuch/Fantasy | Verlag: Carlsen | Anzahl Seiten: 480 | Erscheinungsdatum: 18.03.2022 | ISBN: 978-3-551-58455-7 | Preis: 16,00€ (Paperback)
Klappentext
Prinzessin Shiori hat ihre verbotenen magischen Kräfte bisher sorgfältig verborgen. Doch am Morgen ihrer arrangierten Hochzeit verliert sie die Kontrolle über ihre Magie. Ihre Stiefmutter Raikama wittert in ihr eine gefährliche Konkurrentin. Sie verbannt die Prinzessin, verwandelt ihre Brüder in Kraniche und belegt Shiori mit einem Fluch: Sobald ein Wort über ihre Lippen kommt, wird ein Bruder sterben. Auf der Suche nach den Kranichen entdeckt Shiori eine Verschwörung mit dem Ziel, den Thron zu übernehmen. Um das zu verhindern, braucht sie ausgerechnet die Hilfe ihres unbekannten Bräutigams – und sie ist auf alles gefasst, aber nicht darauf, sich zu verlieben …
Quelle: https://www.carlsen.de/softcover/die-sechs-kraniche-die-sechs-kraniche-1/978-3-551-58455-7
Wenn ich das Buch mit 3 Worten beschreiben müsste…
märchenhaft
melancholisch
verzaubernd
Meine Meinung
Wie lange, lange, lange habe ich darauf gewartet, meine Gedanken, diese Rezension, mit euch zu teilen. Ich habe es herbeigesehnt, endlich all die Chaosherzgedanken niederzuschreiben und hinauszuposaunen, die ich in mir trage, seitdem ich “Die Sechs Kraniche” ausgelesen habe. Ein herzliches Dankeschön geht vorab an den Carlsen Verlag für das Rezensionsexemplar.
Vielleicht sollte ich direkt mit der Tür ins Haus fallen und sagen, dass ich “Die Sechs Kraniche” geliebt habe. Dass ich mich ein bisschen in der Story verloren habe, gar nicht mehr zurück wollte, nachdem ich diese fiktive, schöne Welt kennengelernt habe. Dass “Die Sechs Kraniche” bittersüß war, voller schöner und schmerzhafter Momente, die ein wundervolles Gesamtwerk geschaffen haben. Dass ich die Charaktere mit ihren Eigenheiten ins Herz geschlossen habe und nicht mehr gehen lassen will.
“Die Sechs Kraniche” ist magisch. Märchenhaft. Verträumt. Melancholisch. Leicht. Schwer. Herzzerreißend. Herzzusammenflickend.
In manchen Momenten fühlt sich “Die Sechs Kraniche” so an, als würde man im Sonnenschein auf einer Wiese sitzen. Eine leichte Brise streicht über die Haut, die Füße berühren das satte Gras und es ist ein so schönes Gefühl, dass man den Augenblick für immer festhalten will. Und dann gibt es andere Momente, die sich anfühlen, als würde man sich in leichter Kleidung dem bittersten Schneesturm entgegenstellen. Allein. Es wird immer dunkler und dunkler und dunkler. Und dennoch ist da ein kleines Licht, das sich irgendwie nach Hoffnung anfühlt.
Diese Ambivalenz der Gefühlswelten, diese Vielfalt ist es, die “Die Sechs Kraniche” für mich so sonderbar gemacht hat – auf die gute Art. Elizabeth Lim schreibt, wie andere Künstler einen Pinsel schwingen würden, und schafft somit wundervolle Szenerien. Ich habe ihre Worte, ihre bildhaften Formulierungen, aufgesogen wie ein Schwamm und wollte nach jedem Satz, jedem Abschnitt, jeder Seite, jedem Kapitel, mehr.
Besonders begeistert bin ich von der Geschichte selbst. Hierbei handelt es sich um eine Art Retelling von Hans Christian Andersens “Die wilden Schwäne”, allerdings in abgewandelter Form, verknüpft mit chinesischen Legenden und Volksmärchen. Und so, wie es sich für die chinesischen Geschichten aus der Vergangenheit gehört, verströmt “Die Sechs Kraniche” diese magische und mystische, schöne und zugleich melancholische Atmosphäre – und das trifft ganz genau meinen Geschmack. Ich war so eingenommen von den Gefühlsregungen, dass ich die Welt um mich herum glatt vergessen habe. Es ist wie ein Bann, dem ich mich nicht entziehen konnte – und das beschreibt die Wirkung von “Die Sechs Kraniche” auf mich ziemlich gut. Ich liebe die Leichtigkeit, die sich hier und da von der Schwere ablöst, sich miteinander vermischt und eine fabelhafte Handlung zurücklässt. Legenden werden miteinander verwoben, Märchen werden auf sehr kluge Art mit eingebunden und das verleiht dem Buch diesen verzauberten Eindruck. Auch, wenn es sich in den Grundfesten um eine Märchenabwandlung handeln mag, ist die Geschichte eine sehr originelle. Sie ist besonders, magisch, spannend und bewegend. Sie erzählt von Shiori, die als Prinzessin nur das Leben der Schönen und Reichen kennt, sich mit nichts anderem herumplagen muss außer einer arrangierten Hochzeit und ihren magischen Fähigkeiten, die sie zu verstecken versucht. Bis ihre Stiefmutter sie und ihre sechs Brüder verflucht und Shioris Leben eine Kehrtwendung annimmt.
Shiori ist so tapfer, so klug. Und dann doch auch wieder so normal wie jedes andere Mädchen, sodass es ein Leichtes ist, den Weg zu ihrem Herzen zu finden. Sie und ich mögen uns zwar sehr stark voneinander unterscheiden, dennoch konnte ich sie in sehr vielen Situationen gut verstehen. Besonders gelungen erscheint mir die Entwicklung, die sie auf mentaler Ebene im Verlauf der Geschichte vollführt. Sie lernt, dass sie sehr privilegiert gelebt hat und worauf es im Leben eigentlich ankommt. Auf Wahrhaftigkeit, Liebe, Ehrlichkeit, Vertrauen, Freundschaft.
Nicht nur Shiori, auch die vielen anderen Figuren im Buch tragen dazu bei, die Story nicht nur vielseitig zu gestalten, sondern auch emotional aufzuladen. Da sind ihre Brüder, die sie verzweifelt zu retten versucht – jeder auf seine Art einzigartig und liebenswert, wie Shiori nach vielen Jahren der Ignoranz endlich erkennt. Seryu, ein Drache, der sie vor dem Ertrinken rettet und von da an irgendwie immer wieder aufzutauchen scheint. Kiki, ein aus Papier gefalteter Kranich, der dank Shioris magischer Kräfte zum Leben erwacht und von da an eine gute Freundin für sie ist. Und dann ist da noch Takkan, der – sind wir ehrlich – mein Herz vom ersten Moment an hatte. Es brauchte nicht viel und ich hatte es direkt an in verloren. Aber wenn ihr ihn kennenlernt, wisst ihr, warum ich das sage. Man kann bei ihm einfach nicht anders.
“Die Sechs Kraniche” hält so so viel bereit, was ein gutes (Fantasy-)Buch für mich ausmacht. Wir werden in ferne Länder entführt, an deren Pracht man sich gedanklich gar nicht sattsehen kann. Es gibt Drachen, die auf die wundervollste Art und Weise beschrieben werden. Eine Atmosphäre, die mich komplett eingenommen hat. Es wird magisch, abenteuerlich und emotional. So emotional, dass das Buch mich sogar entgegen meiner Erwartungen zum Weinen gebracht hat. Die Story hält nicht nur allerhand Märchehaftes und einen total spannenden Plottwist bereit, sondern auch eine etwas unbeholfene, unperfekte Protagonistin, die mit der Zeit lernt und auch mal durchs Leben stolpert. Und ein Ende, das mich Band 2 ganz ganz dringend herbeisehnen lässt!
Mein Fazit
“Die Sechs Kraniche” hat mich rundum begeistert. Die magische Atmosphäre, die mal düster und melancholisch, mal warm und leicht war, hat mich umhüllt und dafür gesorgt, dass ich mich von den Seiten nicht mehr losreißen wollte – und konnte. Was als abenteuerliche Geschichte beginnt, wandelt sich zu einer Reise voller Tiefsinn, Emotionen und Märchenhaftigkeit. Ich liebe diesen verträumten, hoffnungsvollen und dennoch ernsten Charakter, den die Handlung mit sich bringt und freue mich jetzt schon sehr auf Band 2!